MIAMIS METAMORPHOSEN

Stadtgeflüster

Miamis Metamorphosen

Mal schick, mal schräg, mal Art Deco, mal Avantgarde – Miami hat viele unterschiedliche Facetten, dazu fast 3000 Sonnenstunden im Jahr und einen endlosen Strand, an dem auch im Winter gebadet wird.

Oktober 2021, Lesezeit: 23 Minuten

Das Colony in South Beach – eine Ikone des Art Deco made in Miami.

Erinnert sich noch jemand an Miami Vice? Don Johnson und Philipp Michael Thomas als coole Cops in Designer-Anzügen und schicken Karossen auf Verbrecherjagd am Ocean Drive? Das war in den 80er Jahren und zeugte von einem Lebensgefühl, das es nur im sonnigen, sorglosen Florida zu geben schien. Damals war Miami noch ein Ort für Räuber und Banditen, aber auch für friedliche Pensionäre und junge Familien, die die Sonne und die niedrigen Lebenskosten schätzten.

Seitdem hat sich Miami mehrfach neu erfunden. Kaum war South Beach mit seinen Art-Deco-Gebäuden vom Rentnerparadies zum Hipster-Hotspot geworden, kamen auch schon Touristen aus aller Welt und machten das schrammelige Flair des Ocean Drive, den die blutjunge Madonna und Modekönig Gianni Versace als Kulisse für ihre exzentrischen Auftritte genutzt hatten, zum Mainstream für alle. Heute sind die pastellfarbenen Häuser perfekt renoviert, für Rentner unbezahlbar und fast durchgehend von schicken Boutiquehotels, Restaurants und Bars besetzt.

Speakeasy-Style: Im Hinterzimmer der Taqueria Bodega verbirgt sich eine coole Cocktailbar.

Der Ocean Drive in Miami Beach – früher verlottert und verrucht, heute eine Touristenattraktion.

Die Trendsetter sind aber längst weitergezogen. In den späten 1990er Jahren begann der visionäre Unternehmer Craig Robins die verlassenen Lagerhallen eines abgewrackten Stadtteils in Midtown zu kaufen und den schicken Design District zu entwickeln. Heute stehen dort Shopping-Tempel und Flagshipstores von Luxus-Brands wie Burberry, Bulgari und Balenciaga Tür an Tür, dazwischen sind coole Cafés, teure Restaurants, Kunsthallen und die fantastische Museum-Garage – ein Parkhaus, an dessen eklektischem Stilmix fünf Architekturbüros beteiligt waren – entstanden. Ein paar Block weiter südlich etablierte sich Wynwood, ein gigantisches Kunstareal, in dem Miamis private Sammler wie die Rubells, die Margulies oder die Cisneros weitläufige ehemalige Fabrikhallen umbauten und mit ihren wertvollen Kunstwerken füllten. Als Hauptattraktion gelten allerdings die zahlreichen und in jeder Hinsicht großartigen Wandmalereien und Graffitis, die Gebäudefassaden, Mauern und sogar Dächer schmücken. Signiert sind sie von teilweise weltbekannten Street Artists, deren farbenprächtige Werke die etablierten Museen dieser Welt auch gerne hätten.

Wynwood ist Miamis Art District, bekannt vor allem für die großformatigen und bunten Murals bekannter Street-Art-Künstler.

Downtown bei Sonnenuntergang. Im Vordergrund: das Pérez Art Museum Miami. Foto: Angel Valentin

Ganz anders präsentiert sich Downtown. Noch vor zehn Jahren war es dort grau und gefährlich, Besuchern wurde geraten, das Viertel vor Einbruch der Dunkelheit zu verlassen. Heute kann man problemlos zu jeder Uhrzeit spazieren gehen und die beeindruckende neue und alte Architektur bewundern. In den Hightech-Türmen haben schicke Restaurants wie Zuma und Cipriani eröffnet, Luxushotels wie das Mandarin Oriental und das Pérez Art Museum Miami (PAMM), das von den Schweizern Herzog & de Meuron entworfen wurde und mit rund 1.800 Werken der besten und bekanntesten zeitgenössischen Künstler punktet.

Das jüngste In-Viertel der Stadt heißt MiMo (Miami Modern), ein vergleichsweise intakt gebliebenes Potpourri architektonischer Baustile an der Upper East Side – ein wenig 1920er-Jahre spanischer Kolonialstil, etwas 1930er-Jahre Art Deco sowie jede Menge modernistischer Architektur aus den 50er und 60er Jahren. Shabby Chic darf hier wörtlich verstanden werden: Tankstellen, Discounter und Diner sehen noch genauso unattraktiv aus wie vor 20 Jahren, dafür strahlen lässig druchgestylte Restaurants wie das Phuc Yea und das in schönstem Retro-Look renovierte Vagabond Hotel umso heller.

MiMo gilt als Miamis neues In-Viertel. Murals gibt es hier natürlich auch, sogar an der Tankstelle.

Abendstimmung in Miami Beach. Vor beleuchteten Art-Deco-Gebäuden wird Beach-Volleyball gespielt.

Auch wenn der quer durch MiMo führende sechsspurige Biscayne Boulevard einem Highway ähnelt: Es gibt Anwohner, die sich zu Fuß oder mit dem Rad in ihrem Viertel bewegen, Menschen, die hier leben und das neue Angebot mit Begeisterung nutzen. Insofern ist MiMo die erfolgreichste Wiederauferstehung, die Miami derzeit zu bieten hat. Es ist bestimmt nicht die letzte aber man sollte sie erkunden bevor alle anderen es tun.

Anschauen

PAMM

Die Sammlung mit rund 1.800 Werken bekannter zeitgenössischer Künstler ist sensationell. Fast noch großartiger ist allerdings der Bau, in dem sie untergebracht ist. Das Pérez Art Museum Miami (PAMM) wurde von den Schweizern Herzog & de Meuron entworfen und der lokalen Stelzen-Architektur nachempfunden. Nicht verpassen: das Museumsrestaurant Verde mit schöner Terrasse. 1103 Biscayne Blvd, pamm.org
Foto: Daniel Azoulay

Wynwood Walls

In ein paar Straßenzügen mit leerstehenden Lagerhallen ist zwischen Textil-Großhandelsbetrieben und schrammeligen Autowerkstätten ein Open Air Museum mit Weltformat entstanden. Seit 2009 bemalen bekannte und weniger bekannte Künstler Mauern und Fassaden immer wieder neu. Am Abend werden die Arbeiten beleuchtet und wirken besonders spektakulär. N.W. 2nd Ave und N.W. 25th St, thewynwoodwalls.com

ICA

Seit Ende 2017 hat das Institute of Contemporary Art (ICA) eine definitive Heimat im Miami Design District gefunden. Die metallisch glänzende, dynamisch strukturierte und in der Dunkelheit leuchtende Fassade ist nicht zu übersehen. In lichten Hallen werden wechselnde Ausstellungen gezeigt, im Skulpturengarten stehen Werke von Pedro Reyes, Mark Handforth und Sol LeWitt. 61 NE 41st St, icamiami.org

Ironside

Ein ehemaliges Industriegebiet mit verlassenen Lager- und Werkshallen wurde vom visionären Bauunternehmer Ofer Mizrahi – der schon an der Entwicklung von Wynwood beteiligt war – gekauft und in etwas verwandelt wird, was nicht nur Hipstern gefällt. Zu sehen und erleben: Gut 60 Restaurants, Cafés, Kunstgalerien, Designer-Showrooms und Läden. 7610 NE 4th Ct, miamiironside.com

Phillip and Patricia Frost Museum of Science

Der Erfolg des 2017 eröffneten Museums liegt wohl daran, dass Kinder hier ebenso viel Freude haben wie Erwachsenen und dass Architektur-Freaks genauso auf ihre Kosten kommen wie Liebhaber von Hammerhaien, Riesenrochen und Medusen. Man lernt etwas über das Sonnensystem, den menschlichen Körper und das Leben der Dinosaurier – dank interaktiven Ausstellungen und spannenden Shows wird es keine Minute langweilig. 1101 Biscayne Blvd, frostscience.org
Foto: Rafael Gamo

Little Havanna

Rund 70 Prozent der Einwohner Miamis haben lateinamerikanische Wurzeln, die meisten davon kubanische. Deren Lebensstil ist an der Calle Ocho zu erleben: Man kann in der Yisell Bakery (1356 SW 8th St) leckere Guava-Küchlein kosten, im Sanguich De Miami (2057 SW 8th St) ein kubanisches Sandwich essen und im Cafe La Trova (971 SW 8th St) zu Salsa-Klängen den wohl besten Mojito Miamis trinken.

Art Deco

Der historische Art Deco District befindet sich zwischen der 6. und 14. Straße, und zwischen Ocean Drive und Alton Road. Die meisten der pastellfarbenen Häuser wurden zwischen 1935 und 1947 errichtet, viele davon sind heute Hotels – zu den schönsten zählen das Tides, das Pelican, das Colony und The Hotel. Das Art Deco Welcome Center organisiert interessante 90-minütige Walking Tours. Miami Beach, mdpl.org

Essen

Chotto Matte

Ja, es ist laut. Und ja, es ist voll. Doch die Nikkei-Cuisine – eine so gekonnte wie gewagte Kombi aus japanischer und peruanischer Küche – ist so köstlich, dass man das irgendwann vergisst. Man redet eben weniger und schaut mehr: Das neue 219-Plätze Lokal ist mit Schiebedach, hohen Palmen und einem imposanten Rundum-Graffiti versehen. 1664 Lenox Ave, Tel. +1 305 690 0743, chotto-matte.com/miami

Phuc Yea

Das erste Pop-up-Lokal der Stadt war so beliebt, dass es blieb – seit nun schon gut zehn Jahren. Die Küche ist vietnamesisch, aber nicht nur. Die Inhaber-Küchenchefs mischen fröhlich Cajun-Elemente und lokale Zutaten in die asiatischen Gerichte, die sie in ihrem schönen, auf verschiedene Räume und Ebenen verteilte 100-Plätze-Lokal auf die Tische bringen. Beliebt sind auch der exotische Sonntags-Brunch und die ungewöhnlichen Cocktails. 7100 Biscayne Blvd, Tel. +1 305 602 3719, phucyea.com

Soya e Pomodoro

Tacos, Tostadas, Tiraditos – alles schön und gut, aber manchmal möchte man nur einen Teller Spaghetti. Die beste Pasta gibt es Downtown bei Soya e Pomodoro – schon seit fast 20 Jahren. Das Lokal wirkt zwar etwas schräg, doch die Bruschette, Melanzane alla Parmigiana und Pilz-Ravioli sind makellos. Dazu kommt der netter, rein italienische Service. 120 NE 1st St, Tel. +1 305 381 9511, soyaepomodoro.com

Pubbelly Sushi

Auch wenn sie aussieht wie eine unprätentiöse Kneipe – Pubbelly zählt zu den kreativsten Lokalen in Miami Beach. Küchenchef Jose Mendin mischt seine puertoricanische Kochkultur mit asiatischen Einflüssen und serviert gegrillten Oktopus mit Zitronengras, knusprigen Schweinebauch mit Ingwer, scharfe Rindfleisch-Dumplings mit Ingwer und Basilikum oder köstliche Tostones (frittierte Kochbananen-Küchlein) mit Ceviche. 1424 20th St, Tel. +1 305 531 9282, pubbellyglobal.com

CVI.CHE 105

Dank hoher Peruaner-Präsenz ist Ceviche sehr oft auf Miamis Menükarten zu finden. Das CVI.CHE 105 ist auf die rohen Fischgerichte spezialisiert, ihre klassische Anconero-Version an klassischer Chili-Koriander-Limetten-Sauce könnten nicht frischer und zarter sein. Es gibt auch andere peruanische Gerichte und einen leckeren Pisco Sour dazu. 105 NE 3rd Ave, Tel. +1 305 577 3454, ceviche105.com

Bodega

Mexikanischer Rap, gekonnt zufällig wirkendes Mobiliar und die besten Tacos von Miami Beach prägen diese trendige „Taqueria“. Man bestellt seine Tacos am Fenster eines Wohnwagenanhängers: „Pescado“ mit gegrilltem Fisch und Ananas-Slaw, „Angry Lobster“ mit Hummer und Mango oder „Pollo“ mit Huhn und Avocado Salsa Verde. Dazu: eine köstliche Frozen Margarita. Später: Hinter den Toiletten versteckt sich eine super coole Geheimbar. 1220 16th St, Tel. +1 305 704 2145, bodegataqueria.com

Sugarcane Raw Bar Grill

Drei Kochstationen beliefern das angesagte 140-Plätze-Lokal mit Sushi und Crudos, gegrilltem Oktopus mit Chili-Aioli und Steaks mit Chimichurri, sowie Leckereien wie Ziegenkäse-Kroketten oder in Speck gehüllte Datteln. Von der Bar kommen Rote Beete-Mojito und Kokosnuss-Pisco, am Wochenende gibt es Live-Musik und Brunch. 3252 NE 1st Ave, Tel +1 786 369 0353, sugarcanerawbargrill.com

Trinken

No. 3 Social

Großzügige, tropisch-entspannte Open-Air-Lounge auf einer Dachterrasse mit Aussicht in Wynwood. Die Cocktail-Auswahl ist breit gefächert und punktet durch den Einsatz ungewöhnlicher regionaler Zutaten – etwa scharfem Habanero-Syrup, Aguafaba (Bohnenwasser) oder Agave-Nektar. Alternativ gibt es lokal gebraute Biere sowie eine eklektische Weinauswahl. Dazu: leckerer Street Food aus aller Welt. 50 NW 24th St, Tel +1 305 748 4540, no3social.com

Sugar

Hipper Schickeria-Treffpunkt hoch über Downtown: Eine offene, tropisch begrünte Dachterrassenbar auf der 40. Etage, die am Wochenende oft für lange Warteschlangen sorgt. Kein Wunder, denn die Aussicht – vor allem beim Sonnenuntergang – ist so wunderbar wie die Cocktails und das asiatische Fingerfood, das man dazu bestellen kann. Als Bestseller gelten die Himbeer-Margarita und die Bangkok Spring Rolls. 788 Brickell Plaza, Tel. +1 786 805 4655, sugar-miami.com

All Day

Laut der New York Times gehört das im wenig frequentierten Park West-Viertel eröffnete All Day auf die „must-visit list of coffee fanatics“. Im Loft-artigen und stets gut besuchten Café werden beste Bohnen an einer maßangefertigten La Marzocco-Espressomaschine von ambitionierten Baristas zu einem perfekten „double shot“ verarbeitet. 1035 N Miami Ave, alldaymia.com

The Anderson

Die coole Cocktailbar empfängt im hippen MiMo-Viertel in den Räumen mit der ältesten Alkohol-Lizenz der Stadt. Vieles blieb, wie es schon immer war – rote Sofas, Spiegel, Piano – nur Drinks und Essen bekamen ein Upgrade. Man darf sich auf coole Musik, entspannten Service und einen Patio mit Karibik-Flair freuen. 709 NE 79th St, Tel. +1 305 757 3368, theandersonmiami.com
Foto: Alejandro Rivera

Union Beer

22 Fassbiere und über 150 in Flaschen abgefüllte Sorten – Bier-Fans verbringen viel Zeit im Union Beer Store. Sie lassen sich weder vom rauen Industrie-Look noch von den Ringkämpfen im TV stören und trinken fruchtiges Triple Crossing (Berliner Weiße mit Passionsfrucht), rosafarbenes Raspberry Empress oder ein frisches Slammin Bones, das in Miami gebraut wird. 1547 SW 8th St, Tel. +1 786 313 39 19, unionbeerstore.com

Schlafen

Mondrian South Beach Hotel

Zwar liegt das durchgestylte Spaß-Hotel nicht am Strand, dafür bietet es den schönsten Sonnenuntergang über Biscayne Bay und den Wolkenkratzern von Downtown. Star-Designer Marcel Wanders erfand eine so hippe wie verspielte Traumwelt mit viel weißem Lack, viktorianischen Säulen, Kristall-Lüstern und verschnörkelten schwarz-weißen Mustern. Am Pool ist Highlife angesagt – das muss man mögen! 1100 West Ave, Tel. +1 305 514 1500, sbe.com, DZ ab 145 USD

Mandarin Oriental

MO ist immer eine Klasse für sich. So auch das vor 20 Jahren eröffnete 326-Zimmer-Haus in Miami, das sich als eines der ersten Luxushotels nach Downtown wagte – allerdings auf eine kleine vorgelagerte Insel mit Privatstrand. Von den eleganten Gästezimmern blickt man auf die Bucht und auf die Skyline, es gibt ein schönes Spa sowie das Restaurant La Mar by Gaston Acurio mit köstlicher peruanischer Küche und Terrasse. 500 Brickell Key Dr, mandarinoriental.com, DZ 359 USD

Cadillac Hotel & Beach Club

Das 1940 als größtes Strandhotel eröffnete Cadillac hat eine Rundum-Renovierung hinter sich. Die 357 Zimmer punkten jetzt mit maritimem Art Deco-Look, im Garten stehen zwei Pools, am Strand Liegen und eine Beach Bar bereit. 3925 Collins Ave, Tel. +1 305 538 3373, cadillachotelmiamibeach.com, DZ ab 225 USD

East Miami

Das Ende 2016 eröffnete Luxushotel gilt als Highlight von Brickell, dem neuen Geschäftszentrum in Downtown. Wandhohe Fenster, erdige Farben und ein puristischer Look prägen Lobby und Zimmer. Man schläft auf der 24. bis 36. Etage, noch höher schwebt die lauschige Bar auf der Dachterrasse. 788 Brickell Plaza, Tel. +1 305 712 7000, east-miami.com, DZ ab 219 USD

Vagabond Motel

In Miamis Trendviertel MiMo wurde das in den 1950er Jahren errichtete Vagabond Motel frisch gestylt und in coolem Mid-Century-Retro-Stil eingerichtet. Junge Hipster geniessen auch den Garten mit Pool und das Sushi-Restaurant. 7301 Biscayne Blvd, Tel. +1 305 400 8420, thevagabondhotelmiami.com, DZ ab 120 USD

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