GLAMOUR TOUJOURS

Stadtgeflüster

Glamour toujours

Erst kam Picasso, dann Brigitte Bardot, danach die Pariser Schickeria und Celebrities aus aller Welt. Nach zwei Pandemiesommern ist wieder der internationale Jetset am Hafen von Saint-Tropez – das Dorf, das eine Weltstadt ist, gibt sich so hip wie nie zuvor.

Juni 2022, Lesezeit: 12 Minuten

Der Blick auf Saint-Tropez vom Strand des Luxushotels Cheval Blanc. Fotos: V. Mati, Emmanuel Bertrand (ganz oben)

Den teuersten Cappuccino des Dorfes gibt es im Sénéquier. Gäste kommen trotzdem in Scharen.

Neun Uhr morgens, Quai Jean-Jaurès. Im Café Sénéquier sitzen die ersten Gäste auf knallroten Klappstühlen und blinzeln in die Morgensonne. Tiefblau hebt sich der Himmel gegen die pastellfarbenen Hausfassaden ab. Das Meer glitzert, eine schneeweiße Motoryacht tuckert träge aus dem Hafen. „Ivana“ steht in fetten Lettern auf dem Heck. Noch herrscht Ruhe in Saint-Tropez, um diese Uhrzeit liegen die meisten Urlauber noch im Bett. Der kleine Fischmarkt gleich hinter dem Sénéquier ist allerdings schon gut besucht. Hausfrauen und Hobbyköche drängeln sich um die fangfrischen Langusten, zierlichen Rotbarben, Sardinen aus dem Mittelmeer und Riesenkrevetten aus Madagaskar. Doraden werden geschuppt, Seezungen filetiert, Tintenfische gesäubert. Händler und Kunden tauschen Tratsch und Rezepte aus, man kennt sich – nur Einheimische und Dauerbesucher mit Ferienhaus kaufen bei den Pêcheries Tropéziennes. Auch im Le Sporting am Place des Lices ist man um diese Zeit noch unter sich. Später, wenn das gerade erwachte Szenevolk den obligaten „petit noir“ am Trend-Tresen der Tropéziens bestellt, sind die Stammgäste schon beim Pastis angelangt und dann so gut wie verschwunden, in einem dieser wunderschönen alten Häuser mit aprikosenfarbenen Fassaden und Kaskaden blühender Glyzinien. Oder sie sind weitergezogen, zu den Pétanque-Spielern, die unter schattenspendenden Platanen ihre Kugeln klacken lassen.

Brigitte Bardot in einer Muschel und in Bronze gegossen vor der berühmten ehemaligen Polizeistation.
Foto: Jean-Louis Chaix

Die Hafenmole hat sich inzwischen in einen brodelnden Jahrmarkt der Eitelkeiten verwandelt. Längst sind im Sénéquier alle Tische besetzt und auch nebenan im Le Gorille und in der Bar du Port ist kein Stuhl mehr zu haben. Niemand möchte verpassen, wie Naomi Campbell, Beyoncé oder Kate Moss die Gangway einer Megayacht herunter stöckelt. Oder wie Leonardo di Caprio seine Louis-Vuitton-Tüten an Bord schleppt. Im Hochsommer, wenn „tout le monde“ in „St. Trop“ Urlaub macht und das Geschiebe am Hafen seinen Höhepunkt erreicht, wenn die knapp 6.000 Einwohner vor bis zu zehnmal so vielen Tagestouristen flüchten, ist die Prominentendichte am höchsten. Saint-Tropez ist offenbar nie zu voll, der Trubel gehört dazu und selbst zickige Stars zeigen sich locker und gut gelaunt. Sind es das warme Mittelmeerklima und die herrliche Landschaft, die dieses Wunder bewirken? Künstler wie Picabia und Braque, Matisse und Seurat liebten das strahlende Licht und die leuchtenden Farben – ihre Werke sind im hübschen Musée de L’Annonciade zu sehen, das in einer ehemaligen Kapelle direkt am Hafen untergebracht ist. Auf die Maler folgten die Schriftsteller: Jean-Paul Sartre, Boris Vian und Colette hockten tagelang am Hafen und dachten über den Sinn des Lebens nach. Und dann kamen die 50er Jahre und mit ihnen Roger Vadim. „Et Dieu créa la femme“ („Und ewig lockt das Weib“) hieß seine filmische Ode an Brigitte Bardot. Für die Bardot begann damit ein neues Leben, für Saint-Tropez eine neue Ära. Jeder wollte dorthin, wo so ein Weib aus türkisblauem Wasser steigt, jeder nackt wie Gott ihn schuf, am Strand von Pampelonne in der Sonne liegen. Die Pampelonne-Bucht gilt tagsüber als Epizentrum des Gesellschaftslebens. Wobei sich dort einiges geändert hat. Die Gemeinde von Ramatuelle, zu der der Strand offiziell gehört, hat ihn einem kompromisslosen Umweltschutzprogramm unterzogen: Die Badeanstalten wurden nach hinten versetzt, ihre Anzahl reduziert, sie müssen abbaubar sein und im Winter komplett verschwinden. Einige der seit Jahrzehnten etablierten Institutionen erhielten keine neue Lizenz, dafür bekamen Luxushotels wie das Byblos, das Hôtel de Paris und das La Réserve ein Stück vom Strand. Insgesamt präsentiert sich Pampelonne jetzt einheitlicher, eleganter und exklusiver – was nicht jedem gefällt.

Die legendäre Bucht von Pampelonne liegt zwischen Cap Camarat und Cap Pinet. Foto: Emmanuel Bertrand

Wer mit seiner Mega-Yacht im Hafen von Saint-Tropez ankert, ist vor allem abends der Neugierde
der Flaneure ausgesetzt. Foto: Pastis Hotel

Andere arrangieren sich. „Das neue Gesetz ist für uns zwar mühsam, dafür wird die Bucht geschützt und im Winter sehr schön sein“, sagt Patrice de Colmont, dem das wohl berühmteste Strandlokal der gesamten Küste gehört. Er erzählt gerne, wie seine Eltern 1948 die damals noch fast menschenleere Pampelonne-Bucht entdeckten, ein Stück Strand inklusive eines knorrigen Olivenhains kauften und dort eine einfache Holzhütte bauten. Eines Tages kamen Brigitte Bardot, Roger Vadim und die Filmcrew vorbei. Die de Colmonts saßen gerade mit Freunden an der langen Tafel, die sie vor ihre Hütte in den Sand gestellt hatten. Der Regisseur dachte, es handle sich um Restaurant und fragte, ob man sein Team verpflegen könne. „Kein Problem“, antwortete Madame de Colmont und bekochte täglich rund 80 Leute. „Nachdem immer mehr Menschen bei uns essen wollten, beschloss mein Vater das Ganze offiziell zu machen“, erinnert sich Patrice de Colmont, der den Club 55 heute mit seiner Schwester führt. Wer dort einen Tisch oder auch nur eine Strandliege möchte, muss weit im Voraus reservieren, denn das Bade-Etablissement am südlichen Ende der Bucht gehört zu den bekanntesten Jetset-Treffs. Doch die Küche ist gut und Gäste wie Bono, Bill Gates oder Barbara Becker sitzen bis in die Abendstunden unter knorrigen Pinien an einem der weiß-blau gedeckten Tische. In der Bucht schwimmen die Villen der Superreichen, am Strand toben die VIPs von morgen und auf dem Bootssteg sitzen gut gebräunte Teenager und planen den Abend. Shopping? Hermès, Bottega Veneta, Dior, Diane von Fürstenberg … fast alle Luxus-Labels sind mit eigenen Läden in Saint-Tropez vertreten. Dort gibt es auch Sterne-Restaurants, teure Hotels, Clubs und Cocktailbars. Doch wer sucht, findet auch ein anderes Saint-Tropez: Ein Dorf mit krummen Gassen, kleinen Läden und Menschen, die mit dem unverwechselbaren einheimischen Akzent sprechen. Dazu einen Hafen, der jeden Abend im Lichtschein der Lokale und Luxusyachten wie eine Filmkulisse aus Hollywood wirkt.

La nuit

Pan Dei Palace

Der feudale Besitz im Dorfzentrum gehörte einst einer indischen Prinzessin und ein wenig Exotik ist geblieben. Gäste der zwölf Zimmer und Suiten dürfen sich auf einen schönen Pool und ein königliches Frühstück freuen. pandei.com

La Ponche

Frisch renovierte Traditionsherberge, in der schon Romy Schneider, Michel Piccoli und Jean-Paul Sartre übernachteten. Die 21 Zimmer und Suiten sind in hellen Naturweiß-Tönen und mit provenzalischen Akzenten dekorierte, das Restaurant mit feiner Regionalküche und Terrasse mit Meerblick ist auch bei Einheimischen beliebt. laponche.com

Pastis

Pop-Art trifft Mittelmeer-Charme und britische Coolness. Pauline und John Larkin bieten zehn mit lässigem Schick gestaltete Gästezimmer, die mal mit frei stehender Badewanne, mal mit antikem Holzbett punkten. Dazu: jede Menge Kunst sowie Balkon oder Terrasse mit Aussicht auf den Innenhof mit Pool. Stammgäste schätzen das nette Personal und die leckere Küche. pastis-st-tropez.com
Foto: Stephanie Russo

Villa Cosy

Das brandneue Fünf-Sterne-Hotel & Spa liegt nur wenige Schritte vom zentralen Place des Lices entfernt und ist trotzdem von Weinreben umgeben und absolut ruhig. Zu jedem der 13 Zimmer und Suiten Zimmer gehört eine private Terrasse mit Blick auf den Pool, zu Snacks aus der Küche werden Weine vom hoteleigenen Weinberg und internationale Gewächse serviert. villacosy.com

La Table

La Petite Plage

Man sitzt mit den Füßen im Sand und Blick auf die Yachten am Hafen in einem so schicken wie fröhlichen Dekor voller Blumen und bunten Kissen. Aus der Küche kommen sommerlich-frische Mittelmeergerichte wie luftige Garnelen-Fritter, Linguine mit Hummer oder Wolfsbarsch mit Muscheln und Artischocken. Dazu passt ein kühler Rosé. lapetiteplage-saint-tropez.com

Vague d’Or

Drei Michelin-Sterne glänzen über dem Restaurant des luxuriösen Hôtel Cheval Blanc an der Dorfeinfahrt. An lauen Sommerabenden sitzt man unter Pinien auf der Terrasse mit Meerblick und genießt Arnaud Donckeles superzarten Hummer, der mit Meeresalgen, Lorbeer und Zitronenschale in der Salzkruste gebacken wurde. chevalblanc.com
Foto: Richard Haughton

Le Café

Die historische Brasserie a schönen Place des Lices hat einen komplett neuen Look: Im opulent-blumig dekorierten Innenraum stehen bequeme Sessel und Sofas, auf der Terrasse sorgt luftiges Grün für Schatten, am Abend wird alles mit Kerzen beleuchtet. Insider bestellen den Wassermelonensalat mit Feta, Mandeln und Minze oder das Rindertartar „des Lices“. lecafe.fr

Le Girelier

Liebhaber der französischen (Fisch-)Küche kommen hier auf ihre Kosten. Insider bestellen gedünstete Artischocken mit Vinaigrette, gegrillten Wolfsbarsch oder die köstliche Boulliabaisse, es gibt aber auch Austern, Kaviar und eine wunderbare Crème brûlée. Dazu: freie Sicht auf die Yachten. legirelier.fr

Während „Les Voiles de Saint-Tropez“ sind anstelle der großen Yachten schlanke Segelschiffe in der Bucht zu sehen.

La boutique

K. Jacques

Die schlicht-eleganten Riemchen-Sandalen von K. Jacques gelten als unverzichtbares Accessoires für den klassischen Riviera-Stil. Das 1930 gegründete Unternehmen ist nach wie vor in Familienbesitz, das Sortiment wird jedes Jahr um ein paar Modelle erweitert. Individuelle Einzelanfertigung gehören ebenso zum Service wie die Instandsetzung älterer Exemplare. kjacques.fr

Galeries Tropeziennes

Im 1903 eröffneten Laden an der Shopping-Meile Rue Gambetta findet man alles, was für den perfekten Saint-Tropez-Look gebraucht wird: Basttasche und Espadrilles, Strandtuch und Bikini. Dazu gibt es Gläser und Geschirr, Kerzen und Kosmetik, Pyjamas und Picknickkörbe, sowie vieles andere, was nicht dringend nötig, aber trotzdem sehr schön ist. galeriestropeziennes.com

Maison ST

Was im kleinen Parfum-Atelier von Laure Beretti in den Regalen steht, gibt es nur hier: In Grasse gefertigte Duft-Kreationen, die den Geist von Saint-Tropez und der Côte d’Azur einfangen. Der Bestseller Terre d’azur duftet nach Tiaré-Blüten und Sonne („notes solaires“) – wer das Parfum nicht auf der Haut tragen möchte, kauft eine Duftkerze. maisonst.com

Les Halles de Saint-Tropez

Neuer, schick gestalteter Foodcourt am Hafen mit Käse-, Fleisch-, Obst- und Brotständen. Die Attraktion sind aber eher die Food-Trucks vor der Tür, die bis ein Uhr nachts Sushi, Falafel, Pizza, Austern oder Crêpes an hungrige Besucher verkaufen. Und ein Glas Champagner gleich dazu. 1 quai de l’Epi

A voir

Musée de la Gendarmerie et du Cinéma

Das in der ehemaligen Polizeistation eröffnete Museum zeigt die Geschichte der lokalen Ordnungshüter und deren Hinterlassenschaft (Uniformen, Waffen, Büros …), aber auch die filmische Aufbereitung ihrer Heldentaten mit Louis de Funès in der Hauptrolle. Eine Sonderausstellung ist den besonderen Ereignissen der örtlichen Gendarmerie gewidmet – interaktiv, informativ und unterhaltsam. saint-tropez.fr/culture/mgc/

Musée de l’Annonciade

Das kleine, 1922 gegründete Museum ist in einer Kapelle aus dem 16. Jahrhundert untergebracht und bezeugt die Bedeutung von Saint-Tropez als Zentrum der Avantgarde zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Zu sehen sind Kunstwerke aus der Zeit von 1890 bis 1950, darunter auch viele von großen französischen Meistern wie Matisse, Derain, Signac und Gauguin, die den Bewegungen des Pointillismus, der Nabis und des Fauvismus angehören und oft das Dorf Saint-Tropez darstellen. saint-tropez.fr/culture/musee-de-lannonciade/

Fondation Linda et Guy Pieters

Die Stiftung der Pieters‘ residiert in einem wunderschönen Stadtpalais direkt am Places des Lices und gilt als eine der besten Kunstinstitutionen der Côte. Bis Ende August ist eine Ausstellung mit Werken des belgischen Konzeptkünstlers Koen Vanmechelen zu sehen. fondationlgp.com

Les Voiles de Saint-Tropez

Die Mittelmeerregatta findet jedes Jahr im Herbst statt (2022: 24.9.-1.10.) und verändert das Hafenbild. Anstelle der Luxusyachten liegen wunderschöne Segelschiffe am Quai, das Promi-Dorf wird für ein paar Tage zum Treffpunkt für Segler und ihre Fans. lesvoilesdesaint-tropez.fr
Foto: Jean-Louis Chaix

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